Frühjahrstreffen der Freien BäckerInnen

Zu Beginn des gut besuchten Treffens in der LOKALBÄCKEREI BROTZEIT in Oberhaching, südlich von München, stand die Herstellung von Backwaren aus Dinkel auf dem Programm.


Gemeinsam wurde gebacken, mitgebrachte Dinkelbrote verkostet und Nico Scheller (Inhaber der Bäckerei) stellte seinen neuen Produktionsstandort und sein beeindruckendes Betriebskonzept vor. Mehr zu der Bäckerei: https://lokalbaeckerei-brotzeit.de/  

Dinkel – auch Spelzweizen, Spelt oder Fesen/Vesen genannt 

Die genaue Entstehungsgeschichte des Dinkels (Triticum aestivum ssp. spelta) ist nach wie vor nicht abschließend geklärt. Bekannt ist, dass es zwei Dinkel Entstehungslinien gibt, a. im asiatischen und b. im europäischen Raum.  

Der bei uns verbreitete Europäische Dinkel (eine hexaploide Weizenart, Genom AABBDD) entstand vor etwa mehr als 4.000 Jahren in Westeuropa, vermutlich durch spontane Kreuzungen von Emmer (einer tetraploiden Weizenart, Genom AABB) mit Zwerg- oder Binkelweizen (Triticum aestivum ssp. compactum, eine hexaploide Weichweizenunterart, Genom AABBDD).  

Dinkel ist, anders als oft behauptet, eine junge europäische Weizenart!  

Mehr zu Dinkel: https://www.gzpk.ch/wp-content/uploads/2023/05/1001-Fragen-zu-Dinkel.pdf  

Nach dem praktischen Teil ging es um die Frage, wie sich die aktuelle Situation der Backbranche sowie die ihrer vor und nachgelagerten Bereiche darstellt. 

Die Erzeugung von Backgetreide wie auch die Herstellung von Brot und Gebäck befinden sich in verschiedenen Spannungsfeldern.  

Diese Spannungsfelder ergeben sich aus zahlreichen Herausforderungen:
Klimawandel, Klimaanpassung, Umwelt- und Klimaschutz, Anforderungen an die Verarbeitungsqualität der Rohstoffe, steigende Betriebsausgaben und sinkende Renditen bei vielen Erzeuger- und Verarbeitungsbetrieben sowie die gesellschaftliche Erwartung, dass gute und gesunde Lebensmittel (kombiniert mit Klimaschutz und Versorgungssicherheit) bei gleichzeitig niedrigen Preisen zur Verfügung gestellt werden. Dazu kommt, dass der durchschnittliche Ernteertrag sowie der Rohproteingehalt und die Backqualität der Hauptgetreideart Weizen sinken. Wobei weiterhin von großen Teilen des Handels an dem Weizen-Handelskriterium „Rohproteingehalt“ (an das auch der Auszahlungspreis gekoppelt ist) - trotz nicht ausreichender Aussagekraft für die Backqualität – festgehalten wird.  

Spannungsfelder stellen jedoch eine wesentliche Voraussetzung und Triebfeder für die Weiterentwicklung von Menschen, Gesellschaften und Organisationen dar. Vor diesem Hintergrund wurde vorgestellt und diskutiert, welche Wege regionale, nachhaltige Wertschöpfungsketten wie auch der Verein der Freien Bäcker und Bäckerinnen einschlagen können, um Alternativen und Lösungen für Herausforderungen weiterzuentwickeln. 

VORWERTS 

Neue Wege beim Anbau und der Verarbeitung von Backgetreide zeigt bspw. das Forschungsprojektes VORWERTS auf. Mehr zum Projekt: https://vorwerts-projekt.de/  

Vorgestellt wurden die ersten Ergebnisse, zusammengestellt von Dr. Odette Weedon (Projektleiterin der Uni Kassel). Zahlreiche Mitglieder des Vereins sind an dem partizipativen Praxisforschungsprojekt mit der Uni Kassel beteiligt, bei dem es um den Anbau von Backweizen im Gemenge mit Körnererbsen, die Trennung von Weizen und Erbse und die Verarbeitung von Gemengeweizen mit einem kleinen Restbestandteil an Brucherbse geht. Die Verbesserung der Backqualität durch das Mischanbausystem Weizen/Erbse zeigte sich bei der VERWERTS Back- und Vermarktungskampagne, die Anfang Februar 2025 an den Start gegangen war. 

Im Zusammenhang mit Mischanbausystemen, als Antwort auf zahlreiche Herausforderungen auf dem Acker, wurde bei der Zusammenkunft ein Begriff in den Blick genommen. Er wird immer wieder gezielt verwendet, um nachhaltige Lösungen zu diskreditieren. Gemeint ist der vermeintlich objektive Begriff „Effizienz“.  

Wie effizient ist unser derzeitiges Ernährungssystem? 

Der Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) macht deutlich: Eine Transformation unseres Ernährungssystems ist notwendig, denn ein „Weiter so“ ist ineffizient und unbezahlbar. Der Bericht über die versteckten Kosten des globalen Ernährungssystems (2016–2023) analysiert die externen Effekte (Umwelt-, Gesundheits- und Sozialkosten) in 154 Ländern  

Das Gesamtvolumen beträgt 

  • 10–13 Billionen USD (kaufkraftbereinigt für 2020), entsprechend ~10 % des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) 
  • Der Marktwert aller global konsumierten Lebensmittel liegt bei ~9 Billionen USD – die versteckten Kosten übersteigen diesen Wert 
  • Auf Gesundheitskosten entfällt der größte Anteil der versteckten Kosten - mehr als 70 Prozent, verursacht durch ungesunde Ernährungsgewohnheiten. Diese Kosten sind in Ländern mit hohem und mittlerem Einkommen am höchsten. 

Allein die versteckten Umweltkosten des Ernährungssystems in Deutschland werden auf rund 30 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt – fast anderthalbmal so viel wie die Wertschöpfung der deutschen Landwirtschaft.  

Siehe: https://www.welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/agrar-ernaehrungspolitik/wahre-kosten-der-ernaehrung-sind-erfassbar-und-jetzt  

Viele weitere Themen wurden erörtert und das nächste Treffen für den Herbst 2025 festgelegt. Unter anderem wird es dann in der Biobäckerei Meffert GmbH in Lemgo um die Herstellung teilgebackener Kleingebäcke und deren sensorische Bewertung gehen.